Regenbogenbrücke

Meine süße, kleine Daisy

Eure Meerschweinchen, die über die Regenbogenbrücke gegangen sind

  • (Lieber Leser,
    diesen Brief habe ich an Daisy geschrieben, da ich nicht weiß, wie ich ihren Tod sonst verarbeiten soll und kann. Er enthält meine puren Emotionen, und was ich empfinde, kann ich nicht verschwinden lassen.
    Bitte versuche nicht, gegen meine Schulgefühle anzureden. Denn es ist nun mal meine Schuld.
    Danke.)


    ~


    Liebe Daisy,
    das Erste, was ich dir sagen möchte, ist, dass es mir Leid tut. Es tut mir so, so, so verdammt Leid, dass ich keine bessere Mutter für dich sein konnte, und dass ich dich einfach so hab gehen lassen, ohne mich um dich zu kümmern. Ich habe keine Ahnung, was mich dazu geritten hat. Aber ich bereue es so schrecklich sehr. Meine Schuldgefühle drohen mich zu erdrücken. Ich wünschte, ich könnte alles rückgängig machen.


    Du bist geboren am 01. Juni 2010. Wir haben dich am 09. Juli zusammen mit deiner Schwester, Rose, im Fressnapf gekauft. Ich war damals zehn Jahre alt. Natürlich wusste ich noch nicht, wie schrecklich Zoohandlungen sind in Bezug auf das Verkaufen von Tieren – wo sie herkommen, was sie mit sich bringen. Und du warst ein typischer Geburtstagskauf (mit dem Unterschied, dass ich euch nie bereut habe, und damit nicht zu den Leuten zähle, die ihre Haustiere nach drei Monaten aufgrund von Überforderung wieder abgeben).
    Zuallererst habe ich deine Schwester, Rose, ausgesucht, da sie am allermeisten auffiel – sie ist schwarz, mit einem braunen Gürtel. Doch direkt darauf folgtest du – denn im Gegensatz zu all deinen Schwestern, hattest du einen silbrig-grauen Schimmer in deinem Fell.
    Und vom ersten Moment an liebte ich euch abgöttisch.
    Mein Gott, wie ich gestrahlt haben muss, als wir euch nach Hause fuhren.
    Du warst schon immer etwas schüchterner als deine Schwester. Aber das war okey.
    Am 12. September bekamst du dann Twister, deine Tochter, komplett unerwartet – ich war immer noch 10, und ging davon aus, dass du einfach nur gewaltig zugenommen hattest.
    Und ich liebte dich nur noch mehr, weil du mir das zugtraulichste und frechste Schweinchen auf der ganzen Welt geschenkt hast.
    Zu dritt wart ihr das perfekte Trio – die zutrauliche, aufbrausende Twister; die neugierige, herrische Rose und du, die schüchterne, liebevolle Daisy.
    Ihr verbrachtet vier wundervolle Jahre bei mir, nur kurz gestört von einem Pilzbefall, der aber komplikationslos verlief.
    Dann, im März 2015, bekamst du einen Abszess, und meine Welt hielt für einen kurzen Moment an.
    Es war schlimm für mich, zu sehen, wie du beim Tierarzt auseinandergenommen wurdest und daraufhin mit einer riesigen Narbe an der Seite herumranntest. Noch dazu, da ich in der Zeit in Italien war, und nicht bei dir.
    Aber auch das hast du überstanden, weil du trotz deiner schon immer etwas schwächeren und dünneren Statur eine Kämpfernatur warst.
    Das Leben ging weiter – 2015 verging, und das neue Jahr brach an.
    Vielleicht kam es soweit, weil ich nur mit mir selbst beschäftigt war. Ich bin sechzehn Jahre alt. Aber das entschuldigt kein bisschen, irgendetwas.
    Ich kam am 20. Januar 2016, einem Mittwoch, von der Schule nach Hause, wie gewohnt. Meine Großmutter öffnete mir die Haustüre. Ich kam herein, und wollte direkt mein Essen aufwärmen, ich hatte Hunger.
    Da öffnete meine Mutter die Haustür, die zu unserer Wohnung führt, und sah zu mir herab.
    In ihren Händen hielt sie einen Schuhkarton.
    In ihren Augen standen Tränen.
    Ich kam nicht mal die Hälfte der Treppen hoch, da war ich schon zusammengebrochen und lag weinend auf der Treppe.
    Ich fragte nicht, wer es war. Zum einen, weil ich es nicht hören wollte, zum anderen, weil ich schon wusste, dass du es warst. Du hattest in den letzten Wochen immer mehr Gewicht verloren. Dein letztes Gewicht lag bei fünfhundert-irgendwas. Aber ich war nicht zum Tierarzt mit dir gegangen. Ich verdrängte es, schob den Besuch beiseite, stempelte es als ein Hirngespinst ab, und konzentrierte mich wieder auf Schule.
    Es ist meine verdammte Schuld, dass du tot bist. Und der Schmerz, den ich an dem Tag empfand. Den hatte ich verdient. Und verdiene ihn immer noch.
    Das war der schlimmste Tag meines Lebens, und wird es immer sein.


    Wir haben dich hinten im Garten beerdigt, an der Mauer, mit einem Holzkreuz und in einem Schuhkarton.
    Dein Körper liegt auf Stroh, Heu; neben dir liegt eine Gurke.
    Ich habe dich auf grünen Federn gebettet, wie das grüne Gras, auf dem du früher herumgerannt bist.


    Ich habe dich umgebracht, und dieser Gedanke bringt mich um. Ich hab dich umgebracht. Meine kleine Maus, mein Bebi, ich hab dich umgebracht.
    Und vermutlich hattest du dabei auch noch Schmerzen. Vielleicht sogar verhungert.
    Als meine Mutter dich gefunden hat, warst du nicht mal mehr in der Todesstarre. Eiskalt und beweglich.
    Aber weil ich nur stur Heu und Wasser aufgefüllt, und Gemüse reingelegt habe, ist es mir nicht aufgefallen. Du lagst vermutlich tot in einem Unterschlupf.
    Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke. Es vergeht keine Woche, in der ich nicht in unkontrollierbare Heulerei deswegen ausbreche.
    Aber ich hab’s verdammt nochmal verdient.


    Du bist das erste Meerschweinchen, das jemals gestorben ist unter meiner Obhut, und das nur, weil ich mich nicht genug um dich gekümmert habe. Weil ich ein egoistischer Mensch bin, der nur um sich selbst kreist.
    Ich verspreche dir, das wird mit Rose und Twister nicht passieren. Ich passe auf sie auf.
    Sie werden noch ein langes Leben leben; etwas, das dir nicht vergönnt war.


    Der Schmerz ist unglaublich. Es ist, wie als würde ich ertrinken. Ist das immer so, wenn man jemanden abgöttisch liebt? Dass man meint, man fällt in eine Schlucht, man fällt und fällt und fällt, und es ist kein Ende in Sicht? Unsäglicher Schmerz?


    Ich habe Angst davor, wenn die anderen sterben. Oder wenn tatsächlich mal ein Mensch in meinem Umfeld stirbt – was noch nie geschehen ist. Aber wenn meine Reaktion bisher so ist... ich wage es nicht, mir vorzustellen, wie ich bei einem Mensch reagiere.


    Was nicht heißt, dass du nicht wichtig warst. Daisy, ich liebe dich so sehr, und ich werde dich nie, nie, nie vergessen. Ich habe kein einziges, schönes Foto von dir, was alles nur noch schlimmer macht und mich nur noch mehr Weinen lässt, aber deine Erinnerung wird weiterleben, in unseren Köpfen.


    Und bitte denk nicht, nur weil ich mir ein neues Meerschweinchen geholt habe, Apollo, heißt das, ich würde dich vergessen. Das könnte ich nie. Er soll Rose und Twister im Zaum halten. Seid du weg bist, sind sie unausstehlich zueinander. Das ertrage ich nicht mehr.
    Ich war neulich an deinem Grab und habe dir erzählt, dass ich das Baby, dass ich mir holen werde, Persephone nennen werde, wie die Göttin des Frühlings, der Blumen, der Gänseblümchen – Daisies.


    Es gibt da diesen Text von Paul C. Dahm, den ich in letzter Zeit öfter lese. Er hilft mir, deinen Tod zu überleben, und irgendwie weiterzumachen. Dieser Text und der Fakt, dass das Leben weitergeht. Der Sekundenzeiger bleibt nicht stehen – Stunden verstreichen.
    Und wenn irgendwann meine eigene Uhr anhält, in vielen, vielen Jahren, werden wir uns wiedersehen.
    Daran glaube ich, fest, mit all meinen Sinnen.
    Das ist es, was mich daran hindert, ungebremst in diese Schlucht zu fallen, erdrückt von all den Schuldgefühlen, der Trauer, und der Angst vor dem, was kommen mag.
    Ich kann es nicht oft genug sagen.
    Mir tut es leid.


    Ich liebe dich, Daisy.
    Auf ewig.
    Deine Mama ♥



    Sie ist die schwarze vorne im Bild.



    Und dieses hier habe ich gerade noch gefunden, als sie einfach auf die Heuraufe hochgesprungen ist. ♥


  • Es tut mir leid dass Du Dir so Vorwürfe machst und wünsche Dir alles Gute und viel Kraft und das Du irgendwann mit der Trauer und den Umständen fertig wirst.
    Ich kann Deine Gefühle und den großen Schmerz verstehen.


    Und wenn ein erstes Schweinchen bei einem stirbt, muss man erstmal lernen damit umzugehen, die vielen großen Gefühle von Trauer und Schuld zu verarbeiten und seinen eigenen Weg finden der einem hilft damit fertig zu werden...


    Ihr werdet euch bestimmt irgendwann wiedersehen.


    LG

  • Sehr schade, dass dein Meeri gehen musste :( Dein Verlust tut mir leid :(
    Vielleicht tröstet dich der Gedanke, dass Daisy immerhin 6 schöne Jahre bei dir hatte. Es gibt so viele Meerschweine, die jahrelang allein und/oder in schlechter Haltung ungeliebt vor sich hin vegetieren, dagegen hatte deine Daisy mit ihren Freunden ein wirklich schönes Leben.

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