• Anfangssituation: Ein älterer Bock ist alleine und hat seinen Partner verloren. Ein Frühkastrat oder Babybock unter 6 Monaten wird als Gesellschaft angeschafft. Das wird spätestens in der Rappelphase unter Umständen richtig Zoff geben. Leider vermitteln viele Züchter gerne Frühkastraten zu älteren Böckchen. Ich bin davon ein absoluter Gegner. Der Lütte langweilt sich ohne Spielkameraden und der Alte ist genervt. Außerdem kann so ein alter, nicht sozialisierter Bub dem Kleinen kaum Sozialverhalten beibringen, d.h. der Kleine hat später dann Schwierigkeiten im sozialen Umgang. Die Zeitphase der Adoleszens ist überaus wichtig für das spätere Leben der Jungs. Diese Art der Partnervermittlung ist zwar für den Züchter der bequemste Weg, aber leider nicht der beste...


    Das eigentliche Erwachsenwerden (Adoleszenz) hat noch nicht einmal begonnen. Mit 6 Monaten beginnt dies mit der ersten Rappelphase und setzt sich noch weitere 12 Monate fort. In dieser Zeit lernt der Kleine von Erwachsenen MS sein späteres Sozialverhalten.


    Aus verhaltensbiologischer Sicht ist diese Art der Vergesellschaftung deshalb nicht gut. Probleme gibt es erstmal nicht, weil der Kleine einen Weg des Umganges mit dem Alten findet, aber stirbt der Alte, dann kommen erst richtig Probleme. Der Kleine versteht andere Schweinchen nicht oder falsch, hat nicht gelernt, wie man Steit vermeidet oder schlichtet. Er ist dann wie ein Bayer in Ostfriesland. Keiner versteht seinen speziellen Sprachdialekt.


    Der Halter hat damit keine Probleme, aber der Frühkastrat später ganz sicher!!! Würden wir die Erziehung eines jugendlichen Menschen einem älteren Mann überlassen, der sein ganzes Leben im Knast in Einzelhaft verbracht hat? Was kann der Jugendliche von dem älteren Menschen lernen? Wir unterscheiden uns verhaltensbiologisch nicht sehr von MS. Nur mal so aus menschlicher Sicht betrachtet...


    Mit dieser Zwangs-Zweckgemeinschaft nimmt man dem Jungkastraten die Möglichkeit jemals soziale Kompetenz zu erwerben. Alle reden immer von artgerechter Haltung und meinen da Platz und eine sinnvolle Geschlechterkombination. Aber wirklich Gedanken um das Verhalten und die Zukunft der Tiere macht sich dabei kaum jemand. Zum Glück ist meine seit Jahren propagierte Meinung mittlerweile durch wissentschaftliche Untersuchungen belegt (z.B. durch Prof. Dr. Norbert Sachser) und ich hoffe, dass sie sich durchsetzt.


    Kurzfristig gedacht sind bei der Frühkastratenmethode erstmal alle Beteiligten glücklich: Der Halter, denn es gibt kaum Streit und Rangordnungskämpfe, der ältere Bock/Kastrat, denn er ist nicht mehr alleine, der Jungkastrat, denn er hat einen neuen Rudelführer und der/die Züchter/-in, denn er/sie ist einen Jungbock/Kastrat los (sorry, wenn ich das so krass ausdrücke). Um die Spätfolgen schert sich niemand!


    Wie äußert sich später diese soziale Inkompetenz (nur einige Beispiele)?


    Vergesellschaftet man sie mit Mädels, dann gehen sie häufig weg, wenn sich ihre Mädels zoffen. Sie wissen nicht, was sie tun sollen und sind überfordert.


    Vergesellschaftet man sie mit gleichalten oder älteren Buben, ordnen sie sich nicht unter. Beim Streit gehen sie u.U. bis zum Letzen, erkennen Unterwerfungsgesten nicht.


    Vergesellschaftet man sie wiederum mit einem Jungbock oder Frühkastraten, so stehen wir wieder am Anfang des Dilemmas.


    Gabi Busch, 2018

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