Regenbogenbrücke

Schlaf gut, Madame (Stinktier)

Eure Meerschweinchen, die über die Regenbogenbrücke gegangen sind

  • Madämchen,


    das du bleibst war eigentlich gar nicht geplant. Du und deine Mutter konnten von eurer Halterin nicht mehr betreut werden, deswegen hat sie ein neues Zuhause für euch gesucht. Da sie selbst aber wegen ihrer Ausbildung im Hotelfach keine Zeit hatte das zu machen und Sorge hatte, das die Katzen euch holen hat sie euch in unserer WG abgegeben. Ich sollte euch beim Auszug mitnehmen und dann vermitteln.


    Euer Käfig sah ziemlich übel aus. Er war mit Draht eingesponnen damit die Katzen euch nicht erreicht haben und ihr ward ziemlich scheu. Du solltest ca. fünf Jahre alt sein, deine Mutter ein Jahr älter. Ihr habt euch angefühlt wie kleine Fässchen und besonders du bist durch schlechte Laune aufgefallen. Du hast geschimpft und gebissen. Außerdem habt ihr abwechselnd Wache gehalten wenn die Andere geschlafen hat.
    Zwar hatte sich recht schnell jemand gefunden der euch gerne übernommen hätte, aber die Sorge das einer von euch Beiden am Ende „überbleiben“ würde war dann doch zu groß als ich erfuhr, dass das andere Schweinchen schon seit 2 Monaten alleine saß, weil nach dem passenden Meerschwein gesucht wurde.


    Weil ihr euch mit meinen Schweinchen nicht recht verstanden habt, wenn diese euren Auslauf erkundet haben durftet ihr in einem anderen Teil des Zimmers frei laufen. Krallen schneiden und TÜV waren zwar immer noch eine Qual, aber durch euren Charme habt ihr beide uns um den Finger gewickelt und ihr durftet bleiben.


    Deine ersten Lebensjahre hast du in einem Kinderzimmer zugebracht in dem du als Spielzeug benutzt wurdest. Dann verloren die Kinder das Interesse an euch und ihr wurdet in ein neues Zuhause gebracht. Allerdings war das wohl eher vom Regen in die Traufe stolpern, denn dein Käfig stand zwischen den Musikboxen einer Party WG und was ihr da alles mitmachen musstet will und kann ich mir gar nicht vorstellen. Als die Party WG sich in einer Nacht und Nebel Aktion auflöste wurde es dann etwas ruhiger für dich, allerdings hatte eure Halterin einen ziemlich schlechten Tierarzt, weswegen eure Wasserflaschen nie gesäubert wurden ( „Hunde trinken doch auch Moorwasser, das ist gesund für die.“) und mit euch gespielt wurde („Die sind wie Kaninchen, die brauchen den Kontakt zum Menschen.“).
    Entsprechend schlecht zu sprechen warst du auf Hände und alles andere was dir zu nahe kam. Ich hatte die ersten Monate wirklich Angst in den Käfig zu greifen oder dich mit der Hand zu füttern nachdem ich gesehen habe wie du dich in einer Nagelschere verbissen hast. Ich glaube du warst zu diesem Zeitpunkt ein sehr wütendes kleines Schweinchen. Und, Gott, seit ihr mir auf die Nerven gegangen. Ihr habt bei der aller kleinsten Bewegung geschrien. Als ihr in den Eigenbau im Nebenzimmer gezogen seit habe ich euch durch die Wand und zwei geschlossene Türen schreien gehört.
    Nach und nach habt ihr Beide gelernt, dass ihr nicht alle Nase lang raus gehoben werdet. Das ihr Meerschweinchen sein durftet und keine Spielzeuge oder Party Sensation.
    1 ½ Jahre nachdem ihr bei uns eingezogen seit hat sich deine Mutter, Flusspferdchen, hingelegt und ist eingeschlafen. Ich weiß noch, dass du ganz still in der Heuraufe gelegen und das Köpfchen hängen gelassen hast. Wir sind wirklich davon ausgegangen, dass du vor Trauer eingehen wirst und damit du nicht alleine bist haben wir dich zu meiner Gruppe gesetzt.
    Ich denke gerne an die vier Tage zurück die du in der Heuraufe gelegen hast. Deine neue Gruppe hat abwechselnd an deiner Seite Wache gehalten und auf dich aufgepasst. An Tag Fünf bist du dann aus der Raufe rausgehüpft und hast dich ohne großen Wirbel mit der Truppe angefreundet. Joschi war dir ein bisschen suspekt, aber du kanntest ja auch keine Böckchen. Räuber ist schnell deine beste Freundin geworden und du hast endlich gelernt, dass du keine Angst mehr haben musst. Du bist zu der lieben, verfressenen und ein bisschen tüddeligen Omi geworden, die wir alle so zu lieben gelernt haben.


    Am Anfang hast du noch Wache gehalten, aber als du immer öfter auf deinem Posten eingenickt bist war eigentlich klar, dass du das eher aus Gewohnheit gemacht hast, als aus echter Sorge. Ich erinnere mich da an das eine Mal als du so tief eingeschlafen warst, dass du dein Gleichgewicht nicht mehr halten konntest und mit dem Hintern umgekippt bist. Als dein Hintern den Trinknapf getroffen hast bist du von dem „Aufprall“ wach geworden und hast die ganz ertappt umgesehen.


    Als Joschi letztes Jahr gestorben ist hast du auch getrauert und mehr Zeit als sonst mit dem Räuberchen verbracht. Als ich sie Anfang diesen Jahres einschlafen lassen musste, weil sie sich von dem Hexenschluss nicht mehr erholt und das Fressen eingestellt hatte warst du tot traurig und hast dich eine Woche nicht mehr anfassen lassen. Ich durfte dein Köpfchen nicht mehr kraulen und du warst auch sonst ungemein schreckhaft. Trotzdem hast du das kleine Fräulein Fluff warmherzig empfangen. Sie durfte sich an dich kuscheln und du hast sogar deine Gurken und Paprika mit ihr geteilt ohne sie wegzubeißen.


    Aber du warst bei weitem nicht zu allen so nett. Tierärzte schienen deine bevorzugte Jagtbeute gewesen zu sein.
    Als es den Winter vor ein paar Jahren so schlimm geschneit hat, dass wir nicht zu unserem normalen Tierarzt konnten bin ich mit dir zu einem gegangen der in der Nähe war. Der arme Mann sollte deinen Grützbeutel wegmachen, weil dieser aufgegangen war und ich Sorge hatte, das er sich entzündet. Meine Warnung, dass der Name Stinktier nicht nur auf die Farbe sondern auch auf das Temperament passen würde, hat er nicht so ernst genommen. Ende vom Lied? Du musstest von zwei Tierarzthelferinnen festgehalten werden damit er den Grützbeutel entfernen konnte. Und anschließend bist du vor Wut aus der Transportkiste gesprungen und hast versucht ihn in die Hand zu beißen. An dem Tag war ich überzeugt, dass wir für dich eher einen Exorzisten als einen Tierarzt brauchen.
    Als Nächstes wurde dir ein gewaltiger Harnstein herausgeschnitten. Bei dieser OP hast du dich sogar unter Narkose noch gewehrt und leise geschimpft und dann hattest du erst mal eine lange Zeit Ruhe. Früher hattest du einen wunderschönen federnden Gang, der im Laufe des letzten Jahres immer mehr zurück ging und nach dem Tod von dem Räuberchen schlagartig verschwunden war. Die Artrose ließ sich nicht leugnen und so bekamst du an den Tagen an denen sie dir Schmerzen bereitet hat Metacam. Gegen eine leichte Pilzinfektion wurde vorgegangen und ich habe nach Möglichkeiten gesucht dein Immunsystem zu stärken. Das Bee Propolis hat dir nicht geschmeckt und es war jedes Mal ein Kampf es in dich rein zu kriegen. Bei der Tierärztin hattest du dich in der Zeit beliebt gemacht indem du versucht hast in ihr Stethoskop zu beißen und das Otoskop einfach nicht wieder freigeben wolltest. Eine Minute hat sie gebraucht um dich dazu zu bewegen nicht mehr darauf zu beißen. Deine Sturheit und deine Kämpfernatur hat sie beeindruckt. Auch dass du dich auf meinen Unterarm gestützt hast, dich auf die Hinterbeine gestellt und sie endlos lange ausgeschimpft hast. Aber zugegeben. Es muss verdammt frustrierend sein, wenn da Riesen kommen, einen hochheben und einfach irgendwelche Instrumente in alle möglichen Körperöffnungen stecken. Und dann noch angelacht zu werden, wenn man sich dagegen wehrt und schimpft... das ist nun wirklich der Gipfel der Unverschämtheit.
    Irgendwann ging dein Gewicht runter und du wurdest ruhiger. Vergesslich warst du ja schon lange, aber diesmal war ich sicher das du dich bald hinlegen und einschlafen würdest. Ich habe die Bee Propolis Kur abgesetzt, aber statt zu sterben hast du plötzlich wieder an Gewicht zugelegt und weiter gelebt. Scheinbar hat dir das Heu nicht mehr geschmeckt und du wolltest die teurere feine Sorte. Die hast du dann ja auch gekriegt.
    Im letzten Monat wurde deine Artrose massiv. Deine Hinterbeinchen standen beinahe horizontal vom Körper ab und ich habe mich fürchterlich erschrocken. Du hast Schmerzmittel bekommen und dich dann so benommen als sei gar nichts. Die Tierärztin hat wieder nur den Kopf geschüttelt. Du hast auf dem Behandlungstisch die Gurke aus der Hand der Tierärztin genommen und da gefressen, du hast geköttelt und warst auch sonst ein furchtbar aufgewecktes Schweinchen. Wir hätten dich beide nicht mit ruhigem Gewissen einschlafen lassen können, trotz deines grenzwertigen Zustandes. 2x am Tag Metacam, 1x Traumel und Zeel und wenn es schlimmer wird sofort kommen. Letzte Woche waren wir noch wegen einer Bindehautentzündung da und die Amazonenkönigin in dir war gnädig gestimmt. Vielleicht lag es aber auch nur daran dass du in Begleitung von deiner neuen Freundin da warst. Nur als die Tierärztin die Kleine angesehen hat und ich sie zu diesem Zweck aus der Transportbox gehoben habe, das hat dir nicht gefallen und du hast Theater gemacht, bis du auch hochgehoben wurdest und mit der Kleinen auf Augenhöhe warst. Diesen Bodyguard Dienst hast du dir mit ihrer Gurke bezahlen lassen.
    Am Dienstag dann das Unglaubliche, du hast in der Heuraufe gesessen. Ich weiß nicht wie du das geschafft hast da rein zu klettern, aber du hast es geschafft und ganz stolz darin gethront und gefressen. Ich hab ein paar Fotos davon gemacht und sie unserer Tierärztin geschickt. Die Sache hätte sie mir nie geglaubt ohne Beweisfotos. Ich hätte das ja selbst nicht geglaubt, wenn ich nicht dabei gewesen wäre.
    Du hast viel geschlafen die letzten Tage und ich habe immer noch gehofft, dass du einfach an deiner Lieblingsstelle einschläfst und nicht wieder aufwachst. Vielleicht war das ja gemein von mir, aber du warst zwischen 10 und 11 Jahre alt, ein echter Methusalem, deswegen habe ich auch seit mindestens zwei Jahren jeden Morgen damit gerechnet, dass du im Gehege liegst und dich nicht mehr bewegst. Ich habe dir jeden Tag den du hattest von ganzem Herzen gegönnt. Ich hab aufgepasst das dir Fofo nicht deine Portion Frischfutter klaut, ich habe ihn verscheucht, wenn er meinte dich an deiner Lieblingsheuraufe rumschubsen zu müssen. Und ich ahbe dir Medikamente gegeben damit du keine Schmerzen mehr hast. Aber als du am Freitag Abend umgefallen bist und nicht mehr von alleine aufstehen konntest wusste ich, dass ich jetzt nichts mehr für dich machen konnte. Am Samstag morgen hast du ein bisschen Apfel bekommen und auf dem Weg zur Tierarztpraxis hast du noch ein Viertel Paprika, eine halbe Tomate und zwei dicke Scheiben Gurke verdrückt bevor du dich wieder über das Heu her gemacht hast.


    Ich hoffe da wo du jetzt bist kannst du wieder so schön beschwingt mit diesem federnden Gang laufen und dich ohne Hilfe kratzen. Du brauchst keine Schmerzmittel mehr und triffst viele vermisste Gesichter wieder. Grüß mir Räuber, Joschi und Flusspferdchen und die ganzen anderen die du zwar nicht kennengelernt hast, aber die mit Sicherheit auch dort sind. Jetzt kannst du wieder die unbezwingbare Amazonenkönigin sein die schon immer warst. Herzlich, stark und mutig. Der Kuschelsack und das Handtuch auf denen du eingeschlafen bist sind im Augenblick beliebte Pilgerstätten. Du wirst hier unglaublich vermisst. Wie du schimpfend an der Plexiglasfront lang gelaufen bist oder mich unbewegt dadurch angestarrt hast. Wie du deine Leckerchen hast fallen lassen, sie vergessen und dich gefreut hast, wenn man sie dir wiedergegeben hat und wie du früher immer in den Heuraufen gethront hast. Das alles und viel viel mehr wird in Erinnerung bleiben und trotzdem fehlen. Du hast diesen wahnsinnigen Wandel durchgemacht von einem wütenden kleinen Schweinchen mit einem Hass auf Hände zu dieser süßen tüddeligen Omi die sich auch gern mal hinter den Ohren hat kraulen lassen.
    Du fehlst.


    Gute Nacht und Schlaf gut, kleines Mädämschen.

  • Kleines Madämchen, du warst ein ganz besonderes Schweinchen, dass es mehr als verdient hatte nach all den schrecklichen Jahren endlich auf einen Zweibeiner zu treffen, der dir und deinem besonderen Wesen gerecht wurde und dich zu schätzen wusste. Alles Gute hinter der RBB!


    Das ist ein ganz besonderer Nachruf. Und ich weiß nicht so recht was ich schreiben soll...


    Traurige Grüße