• Hallo zusammen,


    Ich wende mich zum Thema Vergesellschaftung an euch.


    Vorab kurz zusammengefasst: Unser männliches Schweinchen „Bärli“ rennt vor der neuen Meerschweinchendame immer weg - seit Samstag Abend. Wir brauchen Rat.


    Jetzt im Detail: Seit ca. 9 Jahren haben wir Meerschweinchen, immer in Päärchenhaltung. Wir mussten letzte Woche unsere Meerschweinchendame (ca. 2 Jahre alt) leider unerwartet einschläfern lassen. Zurück bleibt Bärli, ca. 4 Jahre alt. Beide waren aus einer Auffangstation. Er ist ausgesprochen zugewandt, lieb, freundlich und sucht sogar aktiv Menschenkontakt und will gestreichelt werden. Er war nie wirklich dominant und lässt sich eher „alles gefallen“. Bis wir aus einer Auffangstation am Samstag Abend „Cake“, ca. 3 Jahre alt, geholt haben war er 4 Tage alleine. Für die Vergesellschaftung haben wir unser Fleecegehege auf den Boden gestellt und großzügig erweitert. Viele Häuschen, doppelte Ausgänge, viele Näpfe usw. Das erste Kennenlernen war ruhig. Kurzer Schnüffler, kurzes Freuen und dann begann unsere Odysee. Sie ist sehr forsch, hat kaum Angst und ist nach kürzester Zeit hier herumgelaufen, als wäre sie schon immer hier.


    Er hat die erste Nacht in einem Häuschen auf der zweiten Ebene geschlafen und hat sich verkrochen. Sie wusste vermutlich nicht, wie man hochkommt. Seitdem läuft er bei Sichtkontakt weg und wirkt super schreckhaft. Das übliche Jagen geht nur von ihr aus und geht nur ca. 5-10 Sekunden. Er steht dann so weit weg wie möglich von ihr und harrt dort aus…egal ob 5 Minuten, oder auch mal 20 Minuten. Fressen tun beide gut, auch mal gegenüber von einander mit Sicherheitsabstand. Nachts schlafen beide im Käfig, jedoch auch mit Abstand. Sobald wir näher kommen sucht er „Schutz“ bei uns… und ist sogar liegend/kuschelnd bei meiner Frau eingeschlafen.


    Da das Ganze jetzt seit Sonntag Abend anhält sind wir ratlos. Es bricht uns das Herz, dass er scheinbar leidet und sehr sehr sehr ängstlich ist. Stressen wir ihn unnötig? Sollten wir Cake wieder abgeben (ist möglich) und ein anderes Schweinchen ausprobieren? Ist das normal, dass es solange dauert? Muss er da durch? Wir haben uns eigentlich bis heute Abend ein Limit gesetzt, an dem wir entscheiden wie wir handeln wollen. Aktuell haben wir noch diese Woche Urlaub. Miteinander „reden“ tun beide nur sehr selten. Den Bereich haben wir auch verkleinert, da er nur Ausgewichen ist bisher. Die Ebene zum Haus nach oben haben wir ebenfalls weggeklappt.


    Anbei noch ein BIld von dem Freilauf+Gehege und ein Video auf Youtube (Link)


    Es scheint als hätte er keine Ahnung was zutun ist und entweicht immer wieder.


    Habt ihr Ideen oder Vorschläge? Vielen lieben Dank für eure Zeit…

  • Erstmal: Wenn es keine blutigen Bisse gibt beim Jagen gibt und beide zwischendurch in Ruhe fressen können ist alles erstmal halb so wild und vollkommen normal. Normal im Sinne von einer Zusammenführung eines dominanten Weibchens und eines sehr zurückhaltenden Kastraten. Ich hatte diese Kombination auch bei mir bereits vor einigen Jahren mal. Hier hatte dann das Weibchen die Hosen an und der Kastrat hat sie machen lassen. Auch eine Art Arrangement.


    Die paar Tage, in denen die beiden zusammen sind, sind noch nichts und ihr müsst weiter ein bisschen Geduld haben. Eine Vergesellschaftung kann über Wochen gehen. Die beiden machen das schon. Wichtig dabei ist viel verteiltes Frischfutter Tag und Nacht, viel Platz und keine Sackgassen. Vergesellschaftungen macht man in der Regel auch direkt im Gehege, sofern genug Platz da ist, um den den zusätzlichen Stress des erneuten Umsetzens zu vermeiden. Dort wird oft wieder von vorn angefangen mit Rangkämpfen. Wie groß ist eurer Gehege, also das eigentliche Zuhause der beiden??


    Um die Sache besser einzuordnen wären auch Infos zum Weibchen und seiner Sozialisation wichtig: wie und in welcher Gruppenzusammensetzung hat sie vorher gelebt? Vor Vergesellschaftungen sollte man sich immer dahingehend Infos einholen und sich auch über die Charaktereigenschaften der neuen Tiere informieren. Sofern bekannt natürlich....


    Erstmal geduldig bleiben solange sich niemand blutig beißt (was anscheinend ja nicht der Fall ist)! Und ein paar Extraportionen Leckereien überall verteilen. Und wenn genaueres bekannt ist über das Weibchen und eure Gehegegröße, lässt sich die Sache bestimmt auch besser hier einordnen.

  • Den Bereich haben wir auch verkleinert, da er nur Ausgewichen ist bisher. Die Ebene zum Haus nach oben haben wir ebenfalls weggeklappt.

    Unbedingt wieder Bereich erweitern und nichts verkleinern. Je mehr Platz umso besser. Beide, besonders er, brauchen ja den Platz wegen des Rückzugs und der Entspannungsphasen! Das Ausweichen zu Beginn ist vollkommen normal und darf nicht beschnitten werden!

  • Erstmal vielen Dank für deine Antwort! Unser Gehege ist auf dem Bild hinten zu erkennen. Dieses steht normalerweise auf unserem Schreibtisch. Größenmäßig ist es ca. 160x80cm mit Ebene nach oben. Er ist weiterhin super verängstigt. Sie hat in Gruppen von 4-5 Meerschweinchen gewohnt. Sie war in der Auffangstation, dann ein Jahr in einem Zuhause, wo schlussendlich das Männchen gestorben ist und sie mit den restlichen Weibchen nicht zurechtgekommen ist. So landete sie wieder in der Station. Wir wussten von Anfang an, dass er sehr sensibel ist. Deshalb haben wir Bedenken, dass wir eventuell ein zu forsches Weibchen bei uns haben.


    Du scheinst sehr viel Ahnung zu haben... ich hätte dahingehend noch ein paar Fragen...


    - Wielange muss Bärli das "aushalten", bis es ihm zu viel Stress ist? Wir machen uns sehr große Sorgen, da er sich wirklich sehr stark zurückzieht.

    - Ab wann wäre es sinnvoll es mit einem anderen Meerschweinchen auszuprobieren? Wir jederzeit die Option Cake "zurückzugeben" und eines von zwei anderen abzuholen. Wir wollen allerdings nichts überstürzen.

    - Beide "reden" kaum miteinander,- ist dies normal?


    Edit: Zu deinem zweiten Post: Wir hatten vorher praktisch das ganze Wohnzimmer offen. Es besteht weiterhin genug Rückzugsort! Es scheint aber so, dass er sich gezielt versteckt, damit sie ihn nicht sieht. Wenn du das Bild nicht sehen kannst.. der Bereich ohne Gehege ist ca. 1,5x2m groß als Viereck (exklusive dem Gehege, das immer zugägnlich ist.)


    Nochmal vielen Dank für Deine tolle Antwort :)

  • Platz und Rückzug sind also schon mal genug vorhanden. Dass er sich vor ihr vorerst zurückziehen möchte, ist absolut ok und das soll er ja auch jederzeit bis er so weit ist. Prima ist auch, dass er dann außer Sichtweite ist und es Ecken gibt, wo sich beide nicht ständig sehen müssen. Ich weiß, diese Zeit ist immer hart. Wichtig ist, dass er was isst und jederzeit dazu die Möglichkeit hat, wenn er möchte. Du schriebst, dass es ja sogar schon Momente gab, wo beide in Sichtweite voneinander gleichzeitig was gefressen haben. Das ist schon mal positiv! Ich würde definitiv noch bis Ende der Woche mindestens abwarten, wie es sich zwischen den beiden entwickelt und gut beobachten, ob es weiter so kleine Fortschritte gibt. Für uns aus menschlicher Sicht, sieht das immer schrecklich aus und wir denken, die Tiere leiden ganz schrecklich. In der Meerschweinchen-Welt sind das jedoch alles ganz normale Vorgänge, was da gerade geschieht. Auch das gehört zur Kommunikation (in der Kennenlernphase).


    Ich hatte damals einen sensiblen Kastraten, der sogar immer laut geschrien hat, wenn sich ihm die neue Dame nur genähert hat (sie war sogar wesentlich kleiner und jünger als er). So weit ich mich erinnere hat es eine gute Woche gedauert bis sich erste Annäherungen und entspanntere Kommunikation einstellte. ich hatte bis dahin auch einige Nervenzusammenbrüche und hab gedacht, ich müsse sie wieder zurückbringen. Viele ermutigende Worte von Schweineerfahrenen ließen mich durchhalten....Er war eben forsche Weibchen, die ständig Kontakt suchen und so auftreten, überhaupt nicht gewöhnt und war total geschockt davon. Später alles tip top zwischen den beiden und sie akzeptierte ihn sogar als Art Chef.


    Wie oft jagt sie ihn denn so und was ging dem dann voraus? Beschreib mal so eine typische Situation.

  • Danke für diese ausführliche Antwort. Das hilft ungemein! Soviel kann ich gar nicht darauf antworten, dass es dem gerecht wird :)


    Das gegenüberstehen und Essen haben wir auch als sehr positiv gesehen, auch dass beide im Gehege mit Abstand voneinander die Nacht verbracht haben. Es scheint nur heute so, als wäre es wieder rückschrittig.


    Wie oft sie in jagd ist schwierig zu beschreiben, weil meiner Meinung nach beide relativ lange Ruhephasen haben. Das Jagen passiert eigentlich immer, wenn sie sich sehen. Alle zwei drei Stunden einmal, aber der "Jageamt" beträgt nur 5 bis 10 Sekunden.


    Manchmal geht sie auf ihn zu und jagt ihn, ich vermute aber auch, dass sie manchmal Interesse zeigt. Jetzt z.b hat er sich seit ca. einer Stunde unter einem Tüchlein verkrochen.


    Hier nochmal das Video mit Link: YouTube Shorts


    Wie sieht das aus .... sollen wir das akzeptieren, wenn er sich für eine sehr lange Zeit derart zurückzieht? Oder ist das schon problematisches Verhalten? Das Bedenken ist einfach, dass er eine Wesensveränderung durchmacht und nachhaltig gestresst ist.

  • Jetzt hatte ich mal Zeit mir das Video anzusehen. Zu deiner Beruhigung: auf dem Video ist keine einzige Jagdszene zu sehen. Nicht mal Millisekunden. ;)Jagdszenen sehen wirklich ganz, ganz anders aus.:evil:


    Viel mehr sind es neugierige Annäherungsversuche der Dame (in schwarz-weiß nehme ich an), um Bärli (in braun-weiß?) mal näher zu beschnüffeln/betrachten und kennen zu lernen. Ihm ist das alles noch überhaupt nicht geheuer und er vergrößert dann lieber erstmal den Abstand zwischen sich und ihr. Er braucht einfach noch ein bisschen Zeit. Alles vollkommen normal, friedlich und lässt erwarten, dass sich die beiden in nur wenigen Tagen annähern könnten (bin jetzt mal ganz verwegen und gebe diese Schätzung ab, nachdem ich nun das Video gesehen hab).


    Auch finde ich, dass ihr das Gehege schön offen und luftig gestaltet habt mit viel "Futter-Stolperstellen" und Ruheplätzchen zwischendrin. Sieht insgesamt wirklich super aus. Nicht nur das Gehege sondern auch die Situation zwischen den beiden. Wenn er sich länger zurückzieht zwischendurch, lasst ihn. Eine Vergesellschaftung ist immer anstrengend und viele meiner Schweinchen brauchten da auch längere Schlaf-bzw Rückzugsphasen. Auch müsst ihr keine Bedenken haben, dass Bärli leidet oder sich gar im Wesen dauerhaft verändern wird. Ihr könnt euch jetzt erst mal zurücklehnen und beobachten. Lasst die beiden mal machen. Das wird. :thumbup:


    Habt ihr eigentlich auch schon mal grundsätzlich über ein 2. Mädchen für Bärli nachgedacht? ;)

  • Danke für diese wärmenden Worte, auch von meiner Frau. Das hat uns jetzt gut getan.


    Zum Video muss ich noch klarstellen, dass das nicht die Jagdszenen sind, sondern nur Szenen um zu zeigen, wie schreckhaft er ist. Dass sie ihm hinterher rennt/jagd kommt gelegentlich vor, auch dass sie den Po mit ihrer Nasenspitze berührt und auch schnappt. Verletzungen kann ich bisher ausschließen!


    Ich hatte gerade ein Telefonat mit einer Dame aus einer auffangstation und diese meinte, wir sollen den Bereich verkleinern, damit er sich nicht entziehen kann und beide "kämpfen" müssen. Das werden wir vermutlich nicht machen... Sie meinte nur, dass er so die Situation vermeiden kann und das Ganze unendlich so weitergehen wird.


    Noch mal Danke, für die Rückversicherung bezüglich unseres Auslaufes! Uns geht es jetzt definitiv etwas besser!! :)) Geduld....Geduld...Geduld...


    Der Gedanke des zweiten Weibchens ist jetzt erstmal weit in den Hintergrund gerückt haha....

  • Ja, es gibt verschiedene Meinungen, wie man die Gehegesituation gestaltet bei Vergesellschaftungen bzw ob man überhaupt was ändert. Ich würde erst gegen Ende der Woche das normale Gehege wieder herstellen. Also so, wie es war, bevor die Dame kam. Du schriebst ja, dass ihr das Gehege auf den Boden gestellt und noch erweitert habt. Bis dahin würde ich aber erstmal alles noch so lassen wie es ist. Sonst wäre das zusätzlicher Stress. So lange es noch Jagereien gibt, ist Platz nämlich immer gut.


    Geht da aber immer nach eurem eigenen Gefühl. Das ist das wichtigste. Haltet uns mal auf dem Laufenden, wie es sich entwickelt.

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