Regenbogenbrücke

Schlaf gut, Näschen

Eure Meerschweinchen, die über die Regenbogenbrücke gegangen sind

  • Räuber,


    als ich dich aus der Zoohandlung geholt habe muss es Ende Oktober 2007 gewesen sein. Ich wollte mir, gegen den Willen meines Vaters, ein zweites Meerschweinchen holen damit das Zähnchen, was ich vorher von meiner Mutter übernommen hatte, nicht mehr allein sein musste.
    Ich bin in die kleine Zoohandlung bei uns an der Bahnhofstraße gegangen und habe da ein kleines Meerschweinchen alleine in einem Käfig sitzen sehen. Ich mag die Vorstellung, dass du ganz vorwitzig an die Gitterstäbe gekommen bist um zu sehen ob ich etwas zu futtern habe. Ob das allerdings wirklich so gewesen ist weiß ich beim besten Willen nicht mehr zu sagen. Aber wie auch immer unsere erste Begegnung angefangen hat, sie endete damit, dass du in einem länglichen Karton mit zu mir nach Hause gekommen bist. Das ist, denke ich, die Hauptsache an der Geschichte. Das kleine schwarze Glatthaarmeerschweinchen, mit dem weißen Balken auf der Nase, der einem Abends in der Dunkelheit immer so schön angeleuchtet hat, dem weißen Krönchen, dem weißen Beinchen und dem roten Gürtel um den Bauch ist mein Leben eingezogen.
    Zuerst einmal hat deine neue Partnerin dich ignoriert. Dann, kurz nach deinem Einzug, mussten wir sie einschlafen lassen. Das hat dich damals unheimlich mitgenommen, dein Kopf hing aus dem Loch von dem Holzhaus heraus als sei es Teil einer Guillotine. Das hat meinen Vater dermaßen geschockt, dass ich, ohne das ich etwas sagen musste, in den Wagen geschleppt wurde um eine neue Partnerin für dich zu finden.


    Ihr habt euch nicht so gut verstanden am Anfang. Heute weiß ich auch warum. Der Käfig war zu klein, das Haus hat viel Platz weggenommen. Wir haben das durch das Umräumen des Käfigs und viel Auslauf zu lösen versucht. Ideal war anders, ich weiß, aber, wenn ich mir dein letztes Zuhause so ansehe, denke ich wir haben seitdem sehr gute Fortschritte gemacht. Als ich umgezogen bin solltet ihr zwei dann einen permanenten Auslauf bekommen und ich hab euch den Ärcker in meinem Zimmer umgebaut. Der hat euch so gut gefallen, dass ihr gar nicht mehr in den alte Käfig zurück seid. Wenn ich dann Abens in meinem Bett gelegen habe, konnte ich deine weiße Nase im Dunkeln leuchten sehen. Das hat zu einer Erweiterung deines Names geführt. Du warst nicht nur ein Räuber, weil du dir so frech einfach die Leckerchen geklaut hast, sondern auch eine Nase: eine Räubernase also.
    Ein zweiter Umzug, diesmal gab es keinen Ärker, dafür einen größeren Eigenbau. Leider hatte ich den Fehler gemacht die Umrandung zu niedrig anzusetzten, was du dazu genutzt hast, einfach mal aus dem Gehege zu hüpfen und das ganze Zimmer als Auslauf zu nutzen. Ich weiß das du das warst die auf diese Idee gekommen ist. Du warst schon immer so wahnsinnig neugierig und vorwitzig.
    Und Chef, nicht zu vergessen du warst der Chef im Ring und das hast du auch jedem gezeigt. Deswegen habe ich dann auch einen kleinen Bock dazugeholt, damit du und die Fluse etwas ruhiger werdet. Da hab ich etwas angerichtet, oder? Mit Männern konntest du am Anfang mal so gar nichts anfangen. Aber was soll man sagen? Joschi war unheimlich verliebt in dich und ist dir, trotz deiner anfänglichen Hackerei, treu geblieben. Und du hast ihn auch gemocht, dass kannst du nicht leugnen. Du hast deine kleinen klugen Augen ganz genüsslich geschlossen, wenn er dir deine Schlappohren geküsst hat. Dann hat er aufgehört und dir sein Ohr hingehalten und du hast ihn auch da geküsst und dann, wenn er am wenigsten damit gerechnet hat, hast du ihn gezwickt. Nicht fest, aber so, dass er immer noch wusste das du Chefe bist.
    Irgendwann kam dann das Stinktier dazu. Eine alte Meerschweindame die ihr ganz herzlich in die Gruppe aufgenommen habt und die zu deiner besten Freundin wurde.
    Wir hatten unsere Meinungsverschiedenheiten, das gebe ich zu. Als du, high, von Antibiotikern gegen die Rachenentzündung warst, meintest du das es eine tolle Idee war aus eurem Gehege zu springen. Ich fand das nicht und hab dir irgendwann die Etage, die dir das ermöglicht hat, einfach weggenommen. Nicht das dir das etwas ausgemacht hätte. Weißt du, die Geschichte von dem Räuberschwein, das sich bei dem Versuch die 40cm hohe Umrahmung des Geheges zu überspringen alle vier Schneidezähne ausgeschlagen hat, erfreut sich bei mir immer noch großer Beliebtheit. In dieser Zeit hattem wir dann auch das erste Mal Diskussionen wegen deinem Gewicht. Ich sehe ein, dass vier ausgeschlagene Zähne und eine Rachenentzündung jetzt nicht dazu motivieren viel zu essen, aber ich hatte einfach die besseren Argumente die dich dann doch überzeugt haben. (zwei gesunde Hände, Critical Care und eine ganze Baterie an Spritzen mit denen man dir den Brei eintrichtern konnte.)
    Lange Zeit war es dann wirklich ruhig. Keine Krankheiten, kein gar nichts. du warst einfach dieses bezaubernde kleine Schweinchen das du eben gewesen bist. Das Schweinchen was es geschafft hat, das meine Oma, obwohl sie keine Meerschweinchen mag, immer vor Freude quietschend über dem Käfig hing, wenn sie da war.
    Im März diesen Jahres ging dann der Tanz mit deinem Rücken los. Ich werd das Bild nie vergessen, als du plötzlich diesen fürchterlichen Krampf hattest und dich danach nicht mehr bewegen konntest. Nach einer Stunde war der Spuk dann zuende und als wir vor der Notfallpraxis auf den Tierarzt gewartet haben konntest du dich schon wieder putzen, aber der Schreck hat uns beiden ganz schön in den Knochen gesteckt, nicht wahr?
    Den Tod von Joschi im Juni hast du auch gar nicht gut weggesteckt. Du hast Tagelang auf eurem Kuschelsack gesessen und ganz fürchterlich getrauert. Du hattest dann erstmal einen dicken Hals und ich musste wieder mit dir über dein Gewicht diskutieren.
    Wir haben die Plexiglasscheiben in eurem neuen Zuhause beide geliebt. Du, weil du so das ganze Zimmer im Blick hattest und ich, weil ich jetzt endlich wieder vom Bett aus deine Nase leuchten sehen konnte. Und neugierig wie du warst hast du ständig vor dieser Scheibe gehangen und rausgeguckt. Du warst immer die Erste die angelaufen gekommen ist um sich etwas zu Fressen zu erbetteln oder um zu gucken was denn jetzt wieder da vorne los ist.


    Heiligabend war kein schönes Erwachen. Ich bin wachgeworden, weil wieder wie im März geschriehen hast. Wegen deinem Rücken habe ich immer Metacam im Haus, das hast du schnell bekommen und dann ging es zum Tierarzt. Dort wurde eine kritische Untertemperatur festgestellt die wir aber schnell wieder in den Griff bekommen haben. Dann ging der Tanz mit deinem Gewicht wieder los. Deine neugierige, lebenslustige Art hat die Tierärztin überzeugt, dass wir es trotz 536 Gramm nochmal versuchen sollen und das wir es schaffen werden dich wieder auf den Damm zu bekommen. Diesmal habe ich dich nicht überzeugen können zu bleiben.
    Du hast noch einmal rapide an Gewicht verloren und ich war kurz vor Silvester überzeugt, dass es vorbei ist. Aber du bist noch einmal aufgeblüht und wir konnten dich zwischenzeitlich auf stolze 576 Gramm wieder hochpäppeln. Gestern Abend dachte ich dann, das es an der Zeit wird dich weniger zu päppeln, damit du wieder mehr Heu fressen kannst und an normales Futter kommst. Paprika, Fenchel, Gurken und sowas hast du ja gefressen aber du bist ein Meerschweinchen und die sollten sich hauptsächlich von Heu ernähren und nicht von Brei. Obwohl ich immer noch alle zwei Stunden gefüttert habe ist dein Gewicht in den Keller gegangen. Du hast viel gelegen und geschlafen, aber nicht gefressen.
    Ich war heute morgen wirklich für 2 Stunden auf der Arbeit. Ich habe versucht mir mit deinen noch gut über 50 Gramm die dich von der 500er Marke trennen und der Tatsache, dass ja noch jemand in der Wohnung ist der sich um dich kümmert gut zu zureden. Trotzdem hatte ich ein schlechtes Gewissen und hab zuhause angefragt wieviel du gerade wiegst. Die Antwort hat dann dazu geführt, dass ich das erste Mal seit ich da arbeite, meine Tour abgebrochen und mich krank gemeldet habe.
    Ich hab wirklich alles versucht, meine Süße.
    Und jetzt sitze ich hier und bin am heulen wie ein kleines Kind und traue mich gar nicht die Haare die du auf meinem Schreibtisch hinterlassen hast wegzuwischen, die Transportbox auszuräumen, das nächste Mal das Gehege sauber zu machen. Denn das bedeutet, dass du wirklich aus meinem Leben gegangen bist. Das du nicht mehr da bist und jetzt neben deinem Mann liegst. Du hast nicht verstanden warum deine Beinchen dich plötzlich nicht mehr tragen wollten und du so unglaublich müde geworden bist. Das habe ich gesehen. Du wolltest noch laufen und warst beleidigt, weil wir dich gepickst haben. Das habe ich dir angesehen. Ich hoffe du bist mir nicht böse und das du da wo du jetzt bist einen Kuschelsack hast in dem du mit deinem Joschi wieder heimlich schmusen kannst. Aus dessen Öffnung dann nur euer beider Nasen eng aneinandergekuschelt zu sehen sind.


    Gute Nacht und Schlaf gut, meine kleine Räubermaus.

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